Unsere Autorin Sandra Lietze lebt seit vielen Jahren auf dieser Trauminsel und arbeitet hier vor allem als Wanderführerin. Hier berichtet sie uns, wie sie die Zeit um den Jahreswechsel erlebt hat.
Heute ist ein roter Tag! Das bedeutet, dass wir zu Hause bleiben und wahrscheinlich auch keinen Besuch empfangen werden. Obwohl wir das dürften! An roten Tagen können bis zu zwei Personen, die nicht im selben Haushalt leben, zu Besuch kommen. Aber: Vor 22 Uhr müssen sie gehen, denn von 22 bis 05 Uhr gilt die Ausgangssperre. Auf das Neue Jahr müssten wir also in jedem Fall alleine anstoßen.

Im Zeitraum vom 21.12.2020 bis 06.01.2021 ist ganz Italien je nach Wochentag eine „rote“ oder eine „orange Zone“. Das hat die Regierung Conte nach vielem Hin und Her mit den Regionen am 18.12.20 beschlossen. Die italienische Regierung hat viel Arbeit und Zeit darauf verwendet, um zu entscheiden, was wir über die Feiertage dürfen und was nicht. Nachlesen kann man das alles im „DPCM“ vom 18.12., das auch als „Decreto Natale“ bezeichnet wird. DPCM bedeutet übrigens „Decreto del Presidente del Consiglio di Ministri“ und seit dem Beginn der Corona-Pandemie haben wir den Überblick verloren, wie viele es davon gibt.

Um den Tag planen zu können, muss man also erst einmal wissen, ob man an einem roten oder einem orangen Tag aufgewacht ist. Rot sind der 24., 25., 26., 27., 31.12. und der 01., 02., 03., 05. und 06.01. Wer sich die Daten nicht merken kann, kann sich auch so behelfen: Rot sind alle Feiertage und Wochenenden sowie der Tag davor, orange die Tage, die übrigbleiben.
An roten Tagen sind alle Reisen zwischen den Regionen verboten. Auch der eventuell vorhandene Zweitwohnsitz in den Bergen oder am Meer außerhalb der eigenen Region darf nicht aufgesucht werden. Das heißt also: Wenn die Oma in Rom wohnt, hätte ich schon vor dem 21.12. dorthin fahren müssen und zurück geht es erst nach dem 06.01. Aber niemand verbietet mir, die Feiertage mit meiner römischen Oma zu verbringen. Die Oma durfte dann auch noch eine weitere Person zum Weihnachtsessen einladen, die aber in derselben Region wohnen muss. Kinder unter 14 Jahren fallen nicht unter diese Regelung.

Außerdem darf man an roten Tagen nur mit einer „autocertificazione“ vor die Tür. Das ist ein Zettel, den wir schon im Frühling kennen gelernt haben. Man trägt Name, Adresse und Wohnsitz ein und kreuzt dann an, warum man gerade jetzt durch die Gegend fahren muss. Zur Auswahl stehen „Arbeit“, „Gesundheit“, „notwendige Situationen“ und „Fahrt zum eigenen Wohnort“.
Einkaufszentren, Kosmetiksalons, Bars und Restaurants bleiben an roten Tagen geschlossen. Ein Lieferservice ist aber bis 22 Uhr erlaubt. Öffnen dürfen Supermärkte, die alt bewährten und vom Aussterben bedrohten „alimentari“, Kioske, Tabakläden, Waschsalons, Apotheken, Frisöre und die Kirchen. Letztere aber nur bis 22 Uhr. Die Mitternachtsmesse wurde dieses Jahr also vorverlegt.
Erlaubt ist auch Sport – allerdings nur rund ums Haus und „in forma individuale“.

An orangen Tagen ist das Leben weniger kompliziert. Wir können ohne „autocertificazione“ unterwegs sein und weil wir in einer kleinen Gemeinde mit weniger als 5.000 Einwohnern leben, uns im Umkreis von 30 km frei bewegen. Allerdings dürfen wir nicht in die Provinzhauptstadt fahren, auch wenn diese nur 20 km entfernt liegen sollte. Für die Besuche bei Freunden und Verwandten gelten dieselben Regeln wie an den roten Tagen. Auch Bars und Restaurants bleiben geschlossen. Alle Geschäfte dürfen jedoch bis 21 Uhr öffnen. Früh ins Bett müssen wir trotzdem, denn um 22 Uhr beginnt die Ausgangssperre!
Der Tourismus ist über die Feiertage auf Eis gelegt. Wer aus dem Ausland einreist, muss für zehn Tage in Quarantäne und alle Skilifte sind bis zum 06. Januar geschlossen.

Und wenn es nun zu Hause einfach zu langweilig oder zu einsam wird oder man einfach einmal einen Tapetenwechsel braucht? Dann muss man gut aufpassen und darf sich bei einer Kontrolle nicht erwischen lassen! Anfang der Woche gab es in der Nähe der Ortschaft Baunei einen Kletterunfall. Bei einem schweren Sturz des Seilersten, der auch Steinschlag auslöste, wurde auch der Sicherer verletzt. Beide Kletterer landeten mit zahlreichen Knochenbrüchen im Krankenhaus. Als wäre das nicht genug, gab es als zusätzlichen Weihnachtsbonbon ein Bußgeld in Höhe von 400 Euro/Person, denn beide waren vom anderen Ende der Insel angereist. Als Treiber der Pandemie kann man das Pärchen trotzdem nicht verurteilen, denn beim Klettern konnten sie sich höchstens gegenseitig anhusten …
Nach dem 06.01. sind wir dann wieder „zonagialla“. Und die erste sardische Krankenschwester ist auch schon geimpft worden. Wenn das mal kein Hoffnungsschimmer ist!