Dass Berlin eine Reise wert ist, versteht sich von selbst. Auch wer kein Freund der Großstadt ist, fühlt sich öfters dabei ertappt, Berlin doch ganz nett zu finden. Kein Wunder, denn kaum eine Stadt in Deutschland bietet so viele verschiedene kulturelle Angebote wie unsere Hauptstadt.
Zwei Feste in einer Stadt

Besonders spürbar war dies am letzten Samstag im Mai. Am 27. Mai 2017 machten es sich gleich drei Gruppen zur Aufgabe, das Gesicht der Stadt zu verwandeln. Mit schillernden Farben zogen unterschiedlichste Menschen aus nah und fern in den Straßen umher. Geschmückt mit Fanschals und Trikots traf man sich an bunten Ständen und feierte – mehr oder weniger gemeinsam – gleich zwei große Feste. Der bunte Mix aus Rot, Weiß, Gelb, Schwarz und Orange mochte einige auf den ersten Blick verwirren. Denn während die einen dem DFB-Pokal-Finale zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund entgegenfieberten, trafen sich gleichzeitig tausende zu den Feierlichkeiten des „Lutherjubiläum“ auf dem 37. Evangelischen Kirchentag in Berlin.
Sehen und gesehen werden

Unter dem Motto „Du siehst mich“ (1. Mose 16, 13) versammelten sich von Mittwoch bis Sonntag zahlreiche Christen, aber auch Gläubige aus anderen Religionen, wie dem Judentum und dem Islam, Atheisten und generell Interessierte in Berlin. Alle zwei Jahre lädt die Evangelische Kirche Deutschlands ein, sich untereinander auszutauschen und friedlich so manches Streitthema zu diskutieren. Obwohl dieser Dialog durchaus christlich-protestantisch geprägt ist, finden so auch Menschen außerhalb dieses Glaubens interessante Angebote. Ob nun Diskussionen, Konzerte, Poetry Slams oder Theaterstücke, mit einem unfangreichen 500-Seiten-Programm war einiges zu erleben!
Große Themen – drängende Fragen

Denn die Evangelische Kirche schaut hinaus in die Welt und sieht auf die brennenden Fragen in der Gesellschaft. Bei Podiumsdiskussionen, Gesprächsrunden und offenen Fragestunden standen beispielsweise PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und MenschenrechtlerInnen dem Publikum Rede und Antwort. Ein großes Thema war hier die Digitalisierung und die Rolle Deutschlands als Friedensbotschafter in aller Welt. Während auf der großen Bühne vor dem Brandenburger Tor Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ehemalige US-Präsident Barack Obama bejubelt wurden, mahnte Außenminister Sigmar Gabriel auf der Messe mehr Verantwortungsbewusstsein an.
Klatschen sei einfach. Doch diese Art der Zustimmung reiche leider nicht aus, um die Tendenz in Richtung Aufrüstung und Krieg zu stoppen und umzudrehen. Es müsse endlich wieder um wichtige soziale, religiöse und politische Themen geredet, diskutiert und sich gestritten werden – im positiven Sinne. So solle die Gesellschaft sich beteiligen bei den Fragen um Frieden, Nächstenliebe und weitere große Themen die sich mit den aktuellen politischen Lagen verknüpfen lassen.
„Tragt Freundlichkeit in die Welt!“

Mit diesem Appell, sich mehr an der Gestaltung der Politik und des öffentlichen Lebens zu beteiligen, waren die Politiker nicht alleine. Mit viel Herz und Humor ermutigte auch Eckhart von Hirschhausen dazu, Freundlichkeit in die Welt zu tragen: Dies könne schon im ganz Kleinen Anfangen. Als Tipp empfahl er, ab und an eine Münze auf die Straße fallen zu lassen. Wer überraschendes Glück erlebe, sei danach nämlich viel hilfsbereiter. Neben aller Heiterkeit warnte der Klavier-Kabarettist Bodo Wartke in seinem Lied „Nicht in meinem Namen“ davor, vorschnell Religion als Streitursache zu missbrauchen oder missbrauchen zu lassen.
Spiel und Spaß sind genauso wichtig
Natürlich durfte neben diesen ernsten Themen auch der Spaß nicht fehlen. So gab es viel Raum und Zeit, sich bei Sport, Tanz und Musik oder dem Feiern eines gemeinsamen Gottesdienstes zu treffen. Besonders auf sich aufmerksam machten mit Spiel und Spaß das Zentrum Jugend und das Zentrum Kinder: Hier war es dank vieler Mitmach-Aktionen laut und bunt.

Auch der Markt der Möglichkeit, der Markt der Innovation und andere Zentren boten vielfältige Angebote. Wer auf der Suche nach Impulsen und Antworten zu verschiedenen Themen suchte, war hier bestens aufgehoben. Seinen Abschluss fand der 37. Kirchentag dieses Jahr ausnahmsweise fernab vom eigentlichen Veranstaltungsort. Zu einem letzten Festakt – dem Abschlussgottesdienst – machten sich viele der Besucher auf nach Wittenberg.
„Hier stehen wir – und wollen anders. Jetzt gehen wir – und können anders!“
Nun blicke ich nach ein paar Tagen zurück und frage mich was bleibt, von diesem Event und dem Wunsch anders zu handeln und Teil einer Friedensbewegung zu sein?
Für mich bleibt die Erfahrung, Teil einer unglaublich vielfältigen Weltgemeinschaft sein zu dürfen. Die Hoffnung, dass viele Menschen lieber Frieden suchen als Streit, egal aus welcher Region, Religion oder Orientierung sie kommen und der Wunsch Berlin als Stadt bald genauso bunt und weltoffen wiederzusehen.
- Kerzenmeer zum Ausklang des Tages in der Messe Berlin
Text: Saskia B. Vortisch
Fotos: Saskia B. Vortisch
Infos: https://www.kirchentag.de/