Gastland des diesjährigen Erlanger Fernwehfestivals ist Indien.
Unsere Redakteurin Lisa Kügel hat das Land ausgiebig bereist und schildert hier ihre ersten Eindrücke kurz nach der Ankunft in der indischen Haupstadt.
Bevor der Subkontinent zwischen Himalaya, Ganges und Indischen Ozean allerdings seine Schönheit und Schätze offenbart, muss man zunächst einmal ankommen…

Foto: Marta Wrona
Mir liegt keine statistische Grundlage für diese Behauptung vor, aber ich sage, dass etwa 40 Prozent der Europäer bei der Ankunft am Flughafen in Neu-Delhi bereits mit dem Gedanken spielen, das Weite zu suchen. Nicht zurück in die Heimat, aber raus aus der Stadt. Spätestens beim Passieren der Smog-Anzeige muss das so sein. Die verkörperlicht dann dieses drückende Gefühl, dicke Luft einzuatmen, das man seit Verlassen des Flugzeugs hatte.
Dass Delhi und überhaupt Indien, beim ersten Besuch einen Kulturschock auslösen könnten, das ahnt, ja, hofft man insgeheim sogar. Trotzdem, noch ein paar Stunden vor der Ankunft hatte die Literatur die Stadt Delhi als „Dreh- und Angelpunkt des Landes“, als „dynamische internationale Metropole“, als eine Stadt „voller faszinierenden Ecken und Flecken“ eingeführt. Tempel, Ruinen und Grabstätten verborgen unter einer modernen Maske und 11 Millionen Einwohnern.
Nun ja, kaum eine Stadt zeigt sich um 6 Uhr morgens von ihrer besten Seite. Aber es ist eben doch der erste Eindruck, der zählt, und so liefern die Impressionen, die ich in den ersten Stunden nach der Ankunft eingefangen habe, die Bilder, die zuerst zurückkommen, wenn ich an diese Stadt denke: Farblose Straßen, wenige Menschen, leere Straßen eingehüllt in graue Luft, untermalt von einem leicht beißenden Geruch, den wir bald den Müllfeuern zuordnen können.

Foto: Marta Wrona
In Delhis Straßen startet man in den neuen Tag mit einem Müllfeuer. All die Verpackungen, Papierschnipsel, Plastiktüten, Essensreste, Tierexkremente und was sonst noch so am Tag zuvor fallen- und zurückgelassen wurde, kehrt ein Shopbesitzer säuberlich zusammen und zündet es an. Qualmend schwelen graue Häuflein entlang der Fahrbahn. Um die morgendliche Feuerstelle versammeln sich ein paar Kühe, große Vögel versuchen letzte Leckerbissen zu retten. Männer schrubben und schwemmen derweil mit einigen Ladungen Wasser aus großen Eimern die letzten Staubkörner von den zerlöcherten Gehwegen.
Wenn ein leichter Windstoß die kleinen Flammen auspustet und graue Teilchen mitnimmt in höhere Lagen, erwacht das Leben in Delhi. Die triste Stille weicht dem Rattern von Rollern, Rikschas, dem Brabbeln, Rufen und Hupen. Betonwände verschwinden unter bunten Teppichen, hinter Regalen mit Süßigkeiten und Snacks. Bevor es an das Tagesgeschäft geht, schlürfen die Männer unterwegs heißen, süßen Chai und verfüttern altes Brot und Gemüse an die Kühe.

Foto: Lisa Kügel
Delhi wandelt sich dann zu der Stadt aus unserer Vorstellung einer indischen Metropole. Wer als Indienreisender nie in aller Früh auf einen Bus wartet, versucht, ein Taxi zu bestellen, oder falschen Vorstellungen von einer morgendlichen Ersterkundung der Stadt nachgeht, wird diese Stimmung nicht erleben. Es ist keine romantische Tageszeit, es ist die Tageszeit, in der man als Tourist nicht von allen Seiten angesprochen, sondern aus versteckten Winkeln sonderbar beäugt wird. Sie ist etwas unheimlich, und schockierend. Und prägte meinen ersten Eindruck von einem Land, in das ich auf jeden Fall wieder zurückkommen möchte.

Foto: Lisa Kügel
Der Michael Müller Verlag ist auf dem Erlanger Fernwehfestival 2013 natürlich auch vertreten und verlost bis Freitag, 15.11.2013 um 17:00 4 Tickets für zwei Vorträge
inklusive Messeeintritt.
Hier gehts zu den Teilnahmebedingungen.
Ein sehr schön geschriebener Post! Man bekommt das Gefühl, das man wirklich grad Morgens um 6:00 Uhr durch Delis Starssen läuft!
Ich bin nächstes Jahr für längere Zeit in Indien und werd bestimmt mal am Morgen durch Deli laufen!!!